Kiel-Holtenau über Middelfahrt zum Bunkern und Weiterfahrt bis Skagen
226 Seemeilen vom 17.09.-19.092017
Heute Morgen ertönt kein Handyalarm auf der genesis. Ich habe vergessen den Wecker zu aktivieren.
Die Sonne durch das Skylight der genesis weckt uns um 07:30 Uhr in der Vorschiffskoje.
Im Schnellstart räumen wir die Schlafsäcke zusammen, packen unsere Sachen für die Fahrt vom Heimathafen in Greifswald Wieck nach Kiel. Im Hafen stehen die Schiffe auf dem Kopf oder bin ich noch nicht richtig wach? Das Frühstück kaufen wir in der Esso hinter der Hanse Werft und machen uns auf den Weg zum Peter von Seestermühe. Bording ist für 11:00 Uhr angesagt und unser Navi gibt 10:56 Uhr an. Die Fahrt auf der leeren Autobahn mit Frühstück am Steuer vergeht ohne nennenswerte Situationen und wir sind pünktlich am Steg in Holtenau an der alten Schleuse.
Parken ist heute ideal; so früh ist am Sonntag noch kein anderer Parkplatzsuchender unterwegs.
Hanneke hilft beim Tragen unserer Seesäcke und wir entern den Peter. Thomas ist als Skipper bereits seit gestern Abend an Bord. Er kommt direkt aus Mallorca und wird sich in den nächsten Tagen an das nördliche Klima gewöhnen müssen. Nach uns kommen Frauke, Ingo und Erich an Deck und die Kojen und Kabinen werden verteilt. Wir bekommen als einziges Pärchen die Skipperkabine und beziehen die Koje und die Schapps.
Etwas später kommt Christian aus der Schweiz und Lutz erreicht uns voraussichtlich erst am späten Nachmittag. Tja, dann hätten wir uns auch nicht so beeilen müssen mit unserem Frühstart.
Thomas nutzt den Nachmittag, um nacheinander mit uns Sieben in zwei Gruppen die Sicherheitseinweisung vorzunehmen. Nachdem der Wachplan aufgestellt ist, bereiten Didi und Frauke einen kleinen Snack mit den spärlichen Proviantresten der Vorgängercrew.
Die Wacheinteilung steht.
Wache 1 wird von mir geführt. Ich bekomme Frauke und Ingo in die Mannschaft.
Wache 2 leitet Hanneke, die von Didi und Christian unterstützt wird.
Wache 3 übernimmt Skipper Thomas und hat Erich und Lutz an seiner Seite
Nach Einteilung der Wachen und Backschaften reist Lutz an und wir können direkt nach seiner Ankunft ablegen. Die ersten 2 Stunden gehe ich Ruder während Lutz eine persönliche Sicherheitseinweisung erhält. Nach der langen Perlenschnur der großen Pötte, die die Schleuse verlassen, reihen wir uns im Kielwasser ein und legen den Stolter Grund / Lt Kiel Horn an.
Ein aufziehendes Gewitter mit Schauerböen wird mit 2 Reffs und der kleinen Fock vorbereitet.
Der Donner ist weithin zu hören. Es zieht nördlicher durch und der bisherige Südwest dreht nach dem Durchzug auf Nord-Nordost. Da wollen wir auch hin! Also Groß dicht, Vorsegel bergen und der Jokel wird angeworfen. Vor meiner ersten Wache von 21:00 bis 24:00 Uhr lege ich mich für eine Stunde aufs Ohr.
Der Duft aus der Pantry holt mich aus der Koje. In den Tiefen der Vorratskammern werden 10 Pestogläser gefunden. Didi und Frauke bereiten hieraus Spaghetti mit dem Basilikum-Pesto, leider ohne Parmesan, zusätzlich gibt es Salat und zur Nachspeise einen Obstsalat.
Meine Wache ist schnell erzählt, 4 Schiffe überholen uns und wir kommen Aero immer näher.
Frauke setzt vor Mitternacht den Dannebro und die 2. Wache zieht um 00:00 Uhr auf.
Die nächste Wachablösung ist um 06:00 Uhr, nachdem Didi von Ihrer Wache schlaftrunken zu mir in die Koje verholt. Der Wind ist immer noch schlapp und so treibt uns die Dieselgenua an. Mit Assens im Rücken geht dort die Sonne auf und wir tuckern durch den Seenebel. Mehrere Seehunde kieken aus dem Wasser, um zu sehen, welcher Ruhestörer so früh die See aufwühlt. Den Seehunden gleich gesellt sich ein Schweinswalpaar zu uns und schwimmt 2 Seemeilen parallel zu unseren Kurs.
Wir lassen Äro und Bajo links liegen und nähern uns Middelfart. Ausgerechnet jetzt habe ich Backschaft. Aber Frauke und Didi erlösen mich vom Herd und ich gehe weiter Ruder. Dafür werde ich mit Kaffee und Broten verwöhnt, die mir hochgereicht werden. Sicherheitshalber lassen wir in den Seenebelbänken das Radar mitlaufen.
Die Segelmanöver zähle ich nicht mehr. Klüver und Fock hoch; Wind schläft ein und wieder runter. Dreimal oder war es viermal? Das 2. Reff ausgeschüttelt und Kurs so gehalten, dass das Großsegel noch Vortrieb erzeugt. Glücklicherweise schiebt der Strom mit bis zu 2 Knoten aus Süd mit. Nach der Wache wird die Einkaufsliste geschrieben. Die Wünsche für den Speiseplan werden konkretisiert und füllen den Einkaufszettel. Wir wollen in den Stadthafen von Middlefart gehen. Dort gibt es nach meiner Erinnerung einen Fischladen, den Google auch bestätigt. Ein Supermarkt ist auch nicht weit. Also wird als Zwischenstopp Middlefart angepeilt, um die Vorräte zu ergänzen und
an Land zu gehen.
Um 11:30 Uhr passieren wir die Eisenbahnbrücke und bereiten den Anleger an der Außenmole vor.
Ich bin in der Pantry und schneide die Zutaten für das Resteessen.
Direkt am Hafen ist ein Fischladen und so wechseln knapp 1,8 KG Dorsch und 2 KG Schellfisch den Besitzer. Die weiteren Zutaten kaufen Didi, Frauke, Erich und Christian im nahe gelegenen Supermarkt.
Zurück an Bord vernehmen wir, dass Lutz dringend zurück muss und seine Rückreise keinen Aufschub duldet. Er nimmt den nächsten Zug in Richtung Kopenhagen und fliegt von dort in Richtung Büro.
Nun hat die 3. Wache nur noch eine Zweierstärke. Wir können dennoch den 3-Wach-Rhythmus weiterfahren; denn der Skipper bleibt in der 3. Wache.
Das Resteessen, Nudeln von gestern, Zucchini Streifen und Tomaten, gibt es bei der Fahrt durch den Sund zur neuen Autobahnbrücke. Hier kommt der gekaufte Parmesan zu Ehren und die Blätter vom Basilikum aus dem Blumentopf.
Anschließend ist der Mittagsschlaf an Deck für die Freiwache angesetzt, den wir mit einer gemeinsamen Kaffeerunde im Cockpit beenden. Wir übernehmen um 17:00 Uhr die Wache und passieren Aebelö an der Westseite. Nur ein Ankerlieger im Lee der Insel! Wie voll ist das Feld sonst in der Hauptsaison – 20 bis 25 Schiffe fast täglich vor Anker.
Zum Steuern wird es jetzt einfacher. Der Windpark Paldans Fleck südlich von Samsö kommt in Sicht und wir peilen den nördlichsten Mast an. Gut 3 Stunden später haben wir die 10 Windmühlen querab und lassen die davor ausgelegte Kardinaltonne südlich liegen.
Zwischenzeitlich habe ich mit Didi in der Backschaft Dienst verrichtet. Es gibt den Dorsch als Auflauf unter einem Fenchel-Tomaten-Zwiebel- Gemisch mit Honig, Zitrone und Kräutern gewürzt. Mit den „alten“ Brotresten, geröstet in der Pfanne, wird auch noch der letzte Tropfen vom Teller gewischt.
Die Wachübergabe um 21:00 Uhr findet im Verkehrstrennungsgebiet des Samsö Belt statt. Ab der Ansteuerungstonne zieht die Wachmannschaft 2 auf und wir verholen uns in die Kojen.
Im Schlaf rolle ich auf einmal nach Steuerbord und werde von der Kabinenwand unsanft gestoppt. Wir schieben gewaltig Lage und segeln anscheinend hoch am Wind. Der Motor ist aus. Ich suche mir eine stabile Seitenlage und verabschiede mich nochmals ins Reich der Träume.
Unsere Wache beginnt heute, 19.09.2017, um 03:00 Uhr. Wir werden im Cockpit mit 5 Beaufort erwartet. Die erst Stunde fahren wir mit einem Schrick in den Schoten parallel zum Anholt Offshore Windpark. Der Wind nimmt weiter zu und das erste Reff wird eingeschlagen. Bei der Welle ist das eine nasse Angelegenheit auf dem Vorschiff. Thomas badet bis zu den Knien, als ich in den Wind gehen soll. Er hat keine Stiefel. Auf Malle segeln alle in flachen Segelschuhen!? Kurz vor Wachende verstärkt sich der Winddruck. Wir haben mittlerweile eine dicke 6 und binden das 2. Reff ein. Ich bleibe nach 3 Stunden Rudergehen weiterhin in Rufbereitschaft; denn Didi kann Ihre Wache nicht antreten. Ich bereite das Frühstück vor, das heute ausnahmsweise nicht gemeinsam zelebriert wird. Rassmus fordert halt sein Opfer. So nun ist es 09:00 Uhr und ich gehe als Rollmops in die Koje, um bis zum Lunch und zur nächsten Wache um 13:00 Uhr eine Mütze Schlaf zu bekommen.
Mittlerweile sind wir an Lasö vorbei und von Frederikshavn sind die Hochhäuser am Horizonz zu erkennen. Nach der Wetterprognose und der Crewstimmung wird Skagen als Dusch- und Übernachtungshafen angepeilt. Nach der östlichen Umfahrung der Insel Hirsholm können wir mit 350° Skagens Hafenmole direkt anlegen. In den letzten Stunden kann die Dieselgenua ausgetauscht werden. Der Wind hat nach einer Atempause über Nord auf Nordost gedreht und bläst mit 5 Beaufort in die Segel. Vor Skagen liegen mehr als 20 Frachter, Kümos, RoRo Fähren und andere großen Pötte auftragslos auf Reede. Nur die schwimmende Tankstelle ist unterwegs, um Diesel zu übergeben.
Nach dem Segelbergen fahre ich unter Motor in den Hafen. Thomas hat uns über Kanal 12 beim Hafenmeister angemeldet. Wir können an Brücke 2 am Kopfsteg quer anlegen. Für die letzten Meter übernimmt der Skipper das Ruder und ich nehme die Achterspring für das Manöver in die Hand.
Nach einem problemlosen Anleger haben wir uns das Bier bzw. den Longdrink für die Mädels gegönnt. Es stehen 226 Seemeilen auf der Logge.
Die Duschen werden anschließend überfallen und die gelöste Salzkruste kann in den Abfluss laufen.
Bei mir ist Waschtag angesagt und die gewaschenen Geschirrtücher und die zu lüftenden Hemden wehen im Wind an der Reling.
Für 20:00 Uhr ist das gemeinsame Abendessen an Bord verplant. Es gibt von mir und mit Ingos Unterstützung Schellfisch mit Senfbutter und Kartoffeln bis zum Abwinken, der zufriedene Abnehmer findet. Anschließend steht eine kleine OP an. Bei Hanneke sind die Fäden zu ziehen. Sie hat vom letzten Törn eine Wunde an der Stirn, die mit 4 Stichen genäht wurde. In der Bordapotheke vom Peter finden wir eine sterile Pinzette und ein Einmalskalpell. Wir richten in der Behindertentoilette den OP ein und die Fäden habe ich mit dem kleinen chirurgischen Besteck schnell gezogen. Morgen geht es bereits um 06:00 Uhr los. Entsprechend wird es früh ruhig an Bord. Dann fair winds für morgen und eine schnelle Wundheilung für Henneke.