Norwegen Teil 5 (756 Sm)

Anholt – Nekselö – Marstal – Kiel Holtenau 182 Seemeilen (26.09.- 29.09.2017)

Der 10. Tag an Bord beginnt mit längerem Schlafgenuss. Frühstück bereiten Ingo und ich heute für 08:00 Uhr vor. Es gibt glutenfreien Eierpfannenkuchen in der süßen und anschließend in der salzigen (Schinkenspeck) Variante. Ablegen ist für 09:30 Uhr geplant. Somit haben wir Gelegenheit die Insel „kurz“ zu besichtigen.
   

Gleich hinter der Mole liegt der Badestrand. Ein schnelles Bad im Meer vor den Augen der verdutzten Fischer gibt mir Frische für den beginnenden Tag. Abgetrocknet geht es weiter an der Hafenkante entlang.

   

Ein Krabbenfischer aus Bornholm liegt hier und seine Anholter Freundin bietet uns kleine Hummerschwänze an. Der Kopf ist abgelöst und sie zeigt mir den Trick, wie der Darm einfach herauszuziehen ist. Von den 5 Schwanzflossen soll ich die mittlere = 3. nehmen. Leicht drehen und langsam abziehen. Nicht zu glauben; es hängt der gesamte Darm dran. Wir kaufen 3 KG für 300 DKr und die Eiweißbombe für heute Mittag ist gesichert.

Der Ableger von Anholt verläuft ohne viel Aufwand. Der hinter uns liegende Finne ist schon gestartet und wir haben nun reichlich Platz, um rückwärts aus der Boxenreihe zu fahren. Genaugenommen fahren wir in die Vorspring, gehen achtern über Backbord und haben Raum rückwärts zum Anleger des Seenotretters zu fahren. Thomas richtet den Bug des Peter zur Hafeneinfahrt aus und wir fahren unter Maschine über das Flach vor Anholt Richtung West.

     

Nach einer halben Stunde sind die Segel oben. Der Motor wird abgestellt. Es geht parallel am Offshore Park von Anholt auf die südöstlichste Windmühle zu. Im Groß ist das erste Reff eingebunden und mit dem Klüver laufen wir bei einem kräftigen 5er aus Südost mit 200°. Hinter uns taucht die X 43 der Glücksburger Yachtsegelschule auf dem AIS auf, die nach uns abgelegt haben. Die X geht 10° höher an den Wind als wir und schafft knapp 9 Knoten. Wir setzen zusätzlich die Fock und den Besan und schaffen ebenfalls 8,5 – 9,0 Knoten über Grund. Der Abstand bleibt mit über 1 Seemeile konstant. Kaum zu glauben. Die X hat eine Vergütung von 82 Yardstick und der Peter von Seestermühe 95. Wir sind die klaren Sieger; denn nach der berechneten Zeit kann uns die X nicht mehr einholen. Die X biegt nach dem Windmühlenpark nach Ebeltoft ab und die Regatta ist beendet. Der Skipper ist nach dem Regattasieg zur Erholung geschickt worden und Frauke übernimmt das Ruder. Unsere Wache geht noch 1 Stunde und ich beginne mit den Vorbereitungen der Babyhummer.

       

Der volle Topf mit Ostseewasser und 3  KG Hummer gefüllt, braucht ein Gegengewicht trotz der kardanischen Aufhängung. Der fertige Hummer findet mit Knoblauch-Mayo, Basilikum-Pistazzienpesto und einem weiteren Dip mit Senf-Mayo begeisterte Abnehmer im Cockpit. Dafür kommen sogar alle Freiwachen an die frische Luft. Nach diesem lukullischen Intermezzo zieht Rassmus  den Hut und hält die Luft an. Die neue Wache schüttelt das Reff aus und mit 3-4  aus Südost und einem Hochdruck von mittlerweile 1030 mmHg werden wir mit einem tollen Segelnachmittag belohnt.

Für mehr Speed kommt nach der Kaffeerunde die große Genua zum Einsatz. Die Vordeckcrew holt die Genua im Lee des Klüvers hoch. Leider wird ein Stagreiter falsch angesetzt, der sich prompt verhakt. Mit dem Bordwerkzeug lässt sich das Malheur schnell reparieren und die Genua kann sich nun ungehemmt entfalten und uns vorantreiben.

Zum Wachwechsel 2 auf 3 klären wir das Tagesziel. Es soll westlich von Nekselö geankert werden. Das Lee der Insel erreichen wir um 18:30 Uhr und das Eisen fällt auf 7 m und 40 m Kette werden gesteckt.

    

Zum Anleger reiche ich GT und einen Hummersalat als Amuse-Gueulle aus der Pantry hoch.

  

Nach dem Sundowner geht es unter Deck. Umkleiden zum Dinner ist angesagt. Heute stehen 64 Seemeilen auf der Logge und für den morgigen Tag ist der Weg in den großen Belt in der Karte vorgezeichnet. Zum Essen habe ich heute meinen letzten Auftritt. Es gibt nach so viel Fisch und Fleisch ein Spaghetti Carbonara mit Eiern und Parmesan in der Speckpfanne verrührt und in einer zweiten Pfanne das Ganze nochmals gluten- und fleischlos zubereitet. Ingo und ich sind die letzten, die sich heute Abend in die Koje verholen. Der Abwasch zieht sich; denn wir haben kein heißes Wasser aus dem Boiler und müssen mit dem Kessel mehrmals  das Spülwasser bereiten. So spät bin ich seit 10 Tagen nicht im Bett gewesen. Ich ziehe um 22:45 Uhr den Reißverschluss vom Schlafsack zu.

Mittwoch, 27.09.2017, 11. Tag an Bord
Es soll früh losgehen. Didi weckt mich um 05:30 Uhr. Ich gehe zur Eimerdusche an Deck. Das Wasser explodiert förmlich, als ich die Pütz hineinwerfe. Millionen von Leuchtwürmchen zeigen ihre grünen Lichtpünktchen in der Dunkelheit.
Ingo und Erik sind in der Backschaft. Der erste Kaffee ist fertig und ich genehmige mir nach dem kühlen Bad den ersten Pott des Tages.
Der Anker ist um Viertel vor Sechs an Deck und unter Maschine laufen wir mit 285° aus der Bucht. Die Schiebebrise von achtern unterstützen wir mit der Genua. Es folgt der Besan und das Besanstagsegel. Dieses Segel ist als Obelix Hose vom Skipper tituliert worden. Nach einer Stunde können wir anluven und das Großsegel kommt zum Einsatz. Nun sind wir flott unterwegs und die Dieselgenua kann gestoppt werden. Die Maschine steht still, nur der Wellengenerator brummt, dreht sich und lädt die Batterien. Das Kap von Rösnaes kommt näher. Der Wind nimmt stetig zu. Es fallen die ersten Schauerböen mit 20 Knoten true wind ein.

Das erste Reff wird eingebunden und auf dem Vorschiff kämpfen Hanneke, Christian und ich mit den Elementen, um die Vorsegel zu wechseln. Genua herunter holen und hinter der Reling sichern, Schoten abbauen und das Segel auf den Bachbordbug ziehen. Nun den Klüver anschäkeln, Schoten anbinden und hoch mit dem Segel. An der Genuawinsch stehe ich bis zu den Knien im Wasser.

Kein Wunder, ich knie ja auf den Knien. Unser Wachwechsel um 09:00 Uhr verzögert sich um eine halbe Stunde bis alle Segel so stehen, dass unsere Bootsfrau ihr Okay gibt. Ab Rösnaes Puller gehen wir auf einen südlicheren Kurs und luven an. Wir verlassen den Samsö Belt und gehen in den roßen Belt. Die Brücke zwischen Fünen und Seeland liegt an. Pünktlich zum Wachwechsel; Hannekes Mannschaft geht und Thomas Wache zieht auf, passiern wir die 65 m hohe Brücke an der östlichen Seite bei Kosör.

 

   

Es setzt ein Strom von fast 2 Knoten gegenan. Die Tonnen neigen sich entsprechend. Vor der Ansteuerung des Rudköbing Löb wird die Sgelfläche verkleinert. Mit 9 Knoten wollen wir nicht in eine Fahrrine rauschen, die nur 50 m breit ist. Wir bergen das Groß und die Fock und unter Besan und Klüver tauchen wir in die Fahrrinnne ein. Mit der Augennavigation geht es durch den Tonnenstrich unter der Brücke in Rudköbing hindurch. Zwischen Mastspitze und Brücke sind gerade einmal 2 m Abstand. Aus 50 m Entfernung sieht es so aus, als würden wir die Brücke treffen.
Nach der Brücke ist meine Wache um 17:00 Uhr wieder im Einsatz. Frauke steuert den Peter ab der Hafeneinfahrt Rudköbing zum Ende des Fahrwassers. Mit 255° geht es anschließend zur Ansteuerung des Manders Grund in Richtung Marstal. Für mehr Speed sollten wir mehr Segel setzen. Unsere Wache ist ohne Ingo schwach besetzt und wir starten lieber den Motor und legen den Hebel auf den Tisch. Nach einer Stunde Motorfahrt liegt die Hafeneinfahrt Marstal voraus. Bergen der Segel, Klar Schiff an Deck und Vorbereiten der Festmacher ist nun unsere Aufgabe. Thomas legt vor der Tankstelle den Peter parallel zum Steg. Den Rest macht der Wind, der uns sanft abgefendert an den Anleger drückt. Der Motor wird um Viertel vor Sieben gestoppt und wir haben in gut 12 Stunden 85 Seemeilen im Kielwasser gelassen.

Nach Rum Cola bzw. Rum Orangensaft als Anlegerschluck (Ersatz), der GT ist verbraucht, bleiben wir unter Deck. Erich kocht ein Chillie Con Carne und als Sättigungsbeilage kommt Reis auf den Teller. Heute gehen die ersten „erst“ um 22:00 Uhr in die Koje. Für Morgen, den letzten Segeltag ist die Abfahrt für 12:00 Uhr vorgesehen.

Donnerstag, 28.09.2017, 12. Tag an Bord
Ausschlafen könnten wir, aber der eingeschliffene Rhythmus holt uns alle kurz nach Sieben aus den Kojen. Wer 10 DKr hat, kann Duschen gehen. Wir haben nur 3 Münzen und so gehen 5 von uns leer aus. Das ändert sich nach dem Gang zum Bäcker. Frauke läßt sich das Wechselgeld in 10 DKr Stücken herausgeben. Während die schon geduschten Mitsegler nun nach dem Frühstück die Genua „abduschen“, duschen die anderen fünf ausgiebig an Land.
Zum Frühstück gibt es heute Morgen Brötchen satt und Gebäck für den Kaffee am Nachmittag.
Es zieht ein Gewitter auf. Unruhe kommt unter Deck auf. Schnell werden die Duschtücher und Segelanzüge, die zum Trocknen im Wind flattern, von Christian und Didi in Sicherheit gebracht.
Wer will jetzt mit ins maritime Museum? Es öffnet um 10:00 Uhr.

Wir machen einen Stadtrundgang und schauen uns dänisches Küchenzubehör an. Wir werden allerdings nicht fündig.

Thomas läßt um Viertel vor Zwölf die Crew auf Vollzähligkeit „antreten“ und wir werfen anschließend die Leinen los. Durch den Wind nur unter Achterspring zugehen, klappt nicht. Also helfen Christian und ich mit dem Enterhaken nach und drücken den Bug vom Steg weg. Jetzt läuft der Ableger und wir verlassen unter Motor den Hafen und gehen in die südliche Fahrrinne. Ein Drängler kommt von Äeroköbing in das Fahrwasser und läuft uns fast ins Heck. Wir lassen es langsam angehen; denn vor uns wird auf einer HR 312 das Groß gesetzt. Der ungeduldige Segler legt den Gashebel auf den Tisch und geht an uns und zwischen der HR durch. Auf der Autobahn hätte es dafür 3 Monate Fahrverbot gegeben. Zu dichtes Auffahren, Nötigung, rechts Überholen und schnippeln…..

Wir setzen das Groß im 2. Reff und nach dem letzten Tonnepaar gehen wir auf Kurs 200° in Richtung Kiel. Die Fock und der Klüver ergänzen die Segelgarderobe. Meine Wache zieht mit Frauke um 13:00 Uhr auf. Ingo kann heut´ nicht.

 

Der Wind aus Ost-Südost nimmt auf 25-27 Knoten zu. Wir haben einen richtigen Sechser und segeln sehr nass. Es gehen mehrere Wellen über das Vorschiff und zweimal auch bis ins Cockpit. Der Skipper lässt das Großsegel bergen. Der Großbaum kommt in die Lagerungsschmiege; leider wird die Großschot nicht nachgeführt und durchgesetzt. Beim Auftuchen des Segels und sichern mit einem Reffbändsel passiert es! Ich stehe auf dem Dach vom Niedergang und stütze mich am Baum ab. Meine paar Kilos reichen, vielleicht hat auch eine Welle mitgeholfen, das der Großbaum aus seiner Lagerungsmulde rutscht und nach Lee ausrauscht. Ich hänge bäuchlings auf dem Großbaum und halte mich mit allem was ich habe, Hände, Arme, Beine und Zähne am Baum und Segel fest. Ich werde in Richtung Außenbord mitgerissen bis die Großschot dem unfreiwilligen Flug ein abrupptes Ende bereitet und ich glücklich geborgen meine Beine auf Deck setzen kann. Der Schreck geht tief ins Gemüt. Ich bin richtig geschockt. Verletzt habe ich mich nicht, nicht einmal ein blauer Fleck zeugt von der Aktion. Für die nächste Stunde bin ich mit den Gedanken noch beim Sturzflug und gebe das Ruder in meiner Wache gerne an den meistbietenden ab.
Erich ist sofort bereit, für mich als Steuermann einzuspringen.

Pünktlich zur Kaffeezeit dreht der Wind auf Ost zurück und bläst nur noch mit 4 Beaufort. Das Groß geht wieder hoch und Kiel Leuchturm taucht in der Kimm auf. Das süße Gebäck aus Marstall wird aufgeteilt und ich bekomme Fraukes Stücke zusätzlich. Wir lassen den Turm an Backbord und bleiben neben der grünen Seite der Fahrrinne. Ein riesiger Autotransporter (Volvo?) überholt uns, dann eine Fähre und zwei Containerschiffe. Wir bergen unsere Segel und werfen den Motor an. Der Anleger wird heute in Bierform gefeiert. GT ist ausgetrunken. Ein Stegnachbar macht ein Crewbild von uns.
Wir bestellen einen Tisch in der Hafenwirtschaft für 19:30 Uhr. Somit fällt die Backschaft für Hanneke am heutigen Abend flach. Auf dem Peter ist die Gelsenkirchener Beflaggung gesetzt. Alle nassen Segelanzüge, Schwimmwesten, Pullover und Handtücher wehen im Wind.
Wir packen unsere Seesäcke und bringen alles, was nicht mehr benötigt wird in den Kofferraum vom Van.

Zu Fuß geht es zum Essen. Nach der lustigen Weinbestellung bekommt dann dennoch jeder das Richtige serviert. Christoph gesellt sich nach dem Essen zu uns und begrüßt die Crew. Wir gehen auf einen Absacker noch an Bord. Christoph holt zwei rote Schätze aus ihrem Versteck. Ein Rotwein aus Portugal und einer von Gran Cnaria. Die Flaschen sind seit dem letzten Jahr über 10.000 Seemeilen mitgesegelt. Das hat an der Qualität des Weines mitgewirkt. Nach dem die langen Pullover aus Seemannsgarn gestrickt wurden, gehen wir kurz vor Mitternacht ein letztes Mal in die Kojen.

Freitag, 29.09.2017, 13. Bord- und Abreisetag

Heute wird der Peter geputzt. Nachdem alle Taschen und Säcke von Bord sind, geht eine Wurfleine quer über das Hafenbecken. Hieran wird der Wasserschlauch angeknotet und zum Peter gezogen. Unten läuft der Staubsauger und oben wird das Deck gewaschen.Wir sind um 11:00 Uhr nach der langen Verabschiedung von Bord und fahren zum Heimathafen nach Greifswald-Wieck. Ein kurzer Stopp im Marktkauf, um für den Kaffee und zum Frühstück versorgt zu sein, geht es an Bord der genesis.

Es gibt noch einige Arbeiten an Bord zu erledigen und mit dem Segelmacher sind meine Wünsche für das Winterlager abzustimmen. Der Tag endet mit einem schönen Sundowner an unserem Steg. GT ist nicht an Bord und so verholen wir uns zum Italiener nach Wieck.